Von margit |
Skulpturenpark Eschborn

In diesen Wochen trommeln erfolgreiche europäische Tech-Gründer und -Investoren sowie deren Verbände für eine europaweite Petition. (1) Ihr Ziel ist die Einführung einer europäischen standardisierten Körperschaft für innovative Startups, die EU Inc. Einer der Initiatoren ist Andreas Klinger (2), nach eigenen Angaben Investor und Technischer Direktor (CTO) verschiedener „cooler“ Unternehmen. Er veröffentlichte schon Ende April 2024 einen Aufruf (3), der keinen Europäer kalt lassen kann. Der mit Europaflagge versehene Titel des mittlerweile rund 70.000 mal besuchten Artikels lautet „Dear Europe, please wake up – eu/acc“. 

Er schreibt: „Europa ist für mich etwas Besonderes, da ich mich als stolzer Europäer betrachte, aber verdammt, wir müssen reden.“ Er befürchtet, dass Europa hinsichtlich neuester Technologien weltweit auf den vierten Platz abfällt. Ursachen seien nicht die Steuern oder eine europäische Mentalität, die harte Arbeit oder Risiken scheut. Diesem US-amerikanischen Meme sollte man in Europa nicht länger Glauben schenken. Die Ursache des dramatischen Rückstands seien Reibungsverluste, die aus den 27 unterschiedlichen rechtlichen Regelungen der Mitgliedsländer resultieren. 

Standardisierung statt Regulierung
Deshalb schlägt er zwei Neuerungen vor: Erstens die dringende Einführung der EU Inc., ein für alle Mitgliedsländer der EU geltendes rechtliches Fundament für innovative, kleine Unternehmen. Diesem ersten Standard könnten weitere folgen. Dies vereinfache die Gründung von Startups und deren Finanzierung, damit diese es künftig leichter haben, vom EU-Binnenmarkt zu profitieren. Dass dies funktioniere, zeige die Einrichtung der Europäische Aktiengesellschaft (SE) (4), die jedoch nicht für kleine Unternehmen gedacht sei.

Die EU Inc. wäre vergleichbar mit dem „Delaware Inc.“, dem US-amerikanischen „De-facto-Standard für juristische Personen für Start-ups“. Standardisierung statt Regulierung solle künftig die Richtung weisen. Die zweite Neuerung - Überraschung - wäre nicht für alle Mitgliedsländer so neu, denn es handelt sich um frühen und besseren Englisch-Unterricht. Bessere Englischkenntnisse würden es Medien und Netzwerken ermöglichen, sich über die gesamte EU auszudehnen.

Die Petition richtet sich an die neue Europäische Kommission, die Anfang Dezember 2024 ihre Arbeit aufnimmt. Nach dem Petitionsrecht (5) wäre diese eigentlich an das Europäische Parlament zu richten. Doch Ursula von der Leyen hatte in ihren politischen Leitlinien für die nächste Kommission, mit denen sie sich am 18. Juli zu Wahl stellte, schon angekündigt, ein sogenanntes 28. Regime vorzuschlagen. Dieses soll innovativen Gründern erlauben, „in bestimmten Bereichen von einem einfacheren, harmonisierten Regelwerk zu profitieren.“ (6)

Es gibt nur Gewinner
Die Kommission setzt damit schon die Segel. Das Europäische Parlament wird diesen Kurs ebenfalls unterstützen. Die konservative finnische Abgeordnete des EP Aura Salla sagte in ihrer Rede vor dem Plenum am 26. November: „Wir müssen rasch eine einzige Anlaufstelle für neue Unternehmen schaffen, die auf den EU-Markt wollen – unsere Lizenzierungsverfahren harmonisieren, straffen und beschleunigen.“ (7). Bleibt noch, den Europäische Rat, die Vertretung der Mitgliedsländer, an Bord zu holen. Von der Logik her dürften auch von dort keine Einwände kommen. Denn die Einführung der EU Inc. würde kein Mitgliedsland benachteiligen. 

Sollte es dennoch so sein, dass Mitgliedsländer sich nicht beteiligen wollen, so könnte eine „Koalition der Willigen“ gebildet werden. Alle anderen könnten dann bei Interesse später dazustoßen. - Die EU muss jetzt liefern, eine zweite Chance gibt es nicht.

Margit Reiser-Schober

Fehler im Inhalt?  – eurolandpost(at)gmx.eu

 

  1. A pan-European entity for Europe’s startups
    https://www.eu-inc.org/ 

     
  2. https://x.com/andreasklinger (X-Account)

     
  3. https://klinger.io/ (Artikel) 

     
  4. Societas Europaea (SE)
    https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/societas-europaea-se-46610

     
  5. Petitionsrecht
    https://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/148/das-petitionsrecht

     
  6. Ursula von der Leyen 
    Europe’s choice – Political Guidelines fort the next European Commission 2024−2029
    Stasbourg 18 July 2024 , S.7
    https://commission.europa.eu/document/download/e6cd4328-673c-4e7a-8683-f63ffb2cf648_en?filename=Political%20Guidelines%202024-2029_EN.pdf

     
  7. EP-Abgeordnete Aura Salla am 26. November 2024:
    https://x.com/AuraSalla/status/1861446715099746774