
Seit 20. Januar 2025 ist Donald Trump Präsident der USA. Und seit diesem Tag hält ein Feuerwerk unausgegorener Ideen die Welt in Atem: Canada als 51. Staat der USA vereinnahmen, Grönland kaufen oder den Gaza-Streifen zur künftigen Urlaubsdestination umgestalten. Das europäische Fass zum Überlaufen brachte am 13. Februar sein tags zuvor geführtes Telefongespräch mit Putin. Die betroffene Ukraine wurde darüber erst im Nachhinein unterrichtet. (1) Politisches Vertrauen und Verlässlichkeit unter Alliierten fühlt sich anders an.
USA: Unbeständigkeit im Inneren und Äußeren wird zunehmen
Doch auch im Inneren der USA selbst wird in diesen Tagen klar, womit man es zu tun hat: erstens mit einer Politik ohne Maß und ohne Richtschnur. Und zweitens mit einem politischen Personal vornehmlich aus beinharten Ideologen, Hofschranzen und entgrenzten Tech-Milliardären. (2) Die demokratische Kontrolle der Exekutive durch die Legislative haben Parteiaktivisten ausgesetzt. Viele Amerikaner, darunter Republikaner, sehen mittlerweile die Demokratie in Gefahr. (3) Schon zu Beginn seiner ersten Amtszeit von 2016 bis 2020 hatte Trump versucht, eine Wende in autoritäre Verhältnisse einzuleiten.
So schreiben Steven Levitsky und Daniel Ziblatt in ihrem Buch „Wie Demokratien sterben“: „Er hat versucht, die Schiedsrichter gleichzuschalten, potentiell gefährliche Schlüsselspieler an den Rand zu drängen und die Spielregeln zu seinen Gunsten zu verändern.“ (4) Doch das hat die Mehrheit der Wähler offenbar nicht sehr beeindruckt. Für die Zukunft lässt dies Schlimmes befürchten: Was kommt nach Trump? Wissenschaftler der Stiftung Wissenschaft und Politik sahen die USA bereits im Frühjahr 2024 „Auf dem Weg in die Systemkrise“. (5) Instabilität nach innen und außen ist somit zu erwarten.
Rechtspopulisten untergraben die europäische Handlungsfähigkeit
In Europa gibt es ebenfalls Anlass zur Sorge. Rechte Parteien gewinnen hier nationale Wahlen – von Schweden bis Italien. Einige dieser Parteien wie die FPÖ (6) in Österreich oder die AfD in Deutschland lehnen die EU ab. Die Gefahr besteht, dass maßgebliche Akteure in den USA künftig die Zwietracht in Europa anfeuern. (7) Dem sollte nachgeben, wer für sein Land eine Karriere als Fußabtreter anstrebt. Wer nicht nur benutzt werden will, sollte auf Europa setzen. Hier gestaltet jedes Mitgliedsland politisch mit. Und über kurz oder lang braucht jedes Land die Solidarität Europas, sei es aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen.
Europa liefert
Zu dieser Einsicht gesellen sich in der EU diesen Tagen viele gute Nachrichten: Am 29. Januar legte die Kommission ihren „Kompass für eine nachhaltig wettbewerbsfähige EU“ vor. In den kommenden fünf Jahren sollen Innovation, Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit sowie Sicherheit und Krisenfestigkeit der EU gestärkt werden. (8) Das französische Unternehmen Mistral stellte am 9. Februar seinen KI-Chatbot Le Chat als App zur Verfügung. (9) Am 10. Februar beendeten die baltischen Staaten ihre Abhängigkeit von russischem Strom durch Anschluss an das europäische Netz. (10) Aus Anlass der AI-Konferenz in Paris startete Kommissionspräsidentin von der Leyen am 11. Februar die Initiative zur Mobilisierung von 200 Milliarden Euro für Investitionen in KI. (11)
Und am 14. Februar, vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz, sagte deren Leiter Christoph Heusgen im Deutschlandfunk: „Jetzt schlägt die Stunde Europas“. Die Rednerliste habe man bereits umgestellt. Nach der Eröffnung werde die Kommissionspräsidentin von der Leyen sprechen anstelle, wie ursprünglich vorgesehen, der amerikanische Vizepräsident. (12) Er fügte hinzu, dass die sich die Sicherheitskonferenz als globale Konferenz sehe, die versuche, auf die globalen Herausforderungen einzugehen. - Europas Sternstunde ist jetzt.
Margit Reiser-Schober
Fehler im Inhalt? – eurolandpost@gmx.eu
- https://www.deutschlandfunk.de/us-praesident-trump-einigung-mit-putin-ueber-aufnahme-von-friedensverhandlungen-im-ukraine-krieg-100.html
- Senatorin Slotkin (Michigan):
„American citizens don't want billionaires with their private data“ https://x.com/BulwarkOnline/status/1887885730577346837
- Republican Accountability@AccountableGOP
„We are working to defend our democracy from extreme MAGA Republicans“
https://x.com/AccountableGOP
- Steven Levitsky, Daniel Ziblatt: „Wie Demokratien sterben“
München 2018 (Ausgabe der Büchergilde Gutenberg), S.227- Schiedsrichter: z.B. Gesetzeshüter, Nachrichtendienste, Ethikkommissionen, Gerichte (S.206)
- Schlüsselspieler: z.B. oppositionelle Politiker, führende Unternehmer, Finanziers der Opposition, Medienhäuser, eventuell Vertreter von Religion und Kultur (S.97)
- Marco Overhaus, Johannes Thimm:
„Die USA auf dem Weg in die Systemkrise - Warum demokratische Institutionen erodieren“
SWP-Aktuell 2024/A 16, 11.03.2024, 8 Seiten
https://www.swp-berlin.org/10.18449/2024A16/
- https://www.tagesschau.de/ausland/europa/oesterreich-wahl-bedeutung-eu-100.html
- https://www.deutschlandfunk.de/vance-fordert-zusammenarbeit-mit-populistischen-parteien-in-europa-100.html
- Kompass für eine nachhaltig wettbewerbsfähige EU:
https://commission.europa.eu/news/steering-eu-towards-greater-sustainable-competitiveness-2025-01-29_de
- https://mistral.ai/en
- Baltische Staaten jetzt Teil des europäischen Stromnetzes
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ac_25_465
- EU-Initiative „InvestAI“
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_25_467
- Christoph Heusgen im Deutschlandfunk am 14.02.25
https://www.deutschlandfunk.de/muenchner-sicherheitskonferenz-interview-mit-christoph-heusgen-leiter-msc-100.html