Seit Mitte Januar demonstrierten hunderttausende Menschen in großen und kleinen Städten in ganz Deutschland „gegen rechts“ oder „gegen rechtsextrem“. Auch ich mache mir aufgrund des bisher zunehmenden Erfolgs der rechtsextremen AfD große Sorgen. In Deutschland zeigt sich damit eine Entwicklung wie in großen Teilen Europas und Nordamerikas – die Rechten gewinnen überall, von Helsinki bis Rom. Dennoch wollte ich mich dieser Demonstration nicht anschließen. Warum?
Erstens: Die Veranstalter gehören oftmals denselben politischen Gruppierungen an, die zu den gegenwärtigen Problemen ursächlich beigetragen haben. Denn ein Grund für den Rechtsruck eines Teils der Bevölkerung ist die irreguläre Migration. Diese treibt nachweislich den Erfolg der weit rechts der Mitte angesiedelten Parteien (1) Ein Staat (oder eine Staatengemeinschaft), die ihre Grenzen nicht wirksam sichern kann, verliert jedoch das Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger. Wer in der Vergangenheit auf diesen Zusammenhang hingewiesen hat, wurde schon als „rechts“ gebrandmarkt.
Zweitens: Für manche der Veranstalter (Beispiel: München, 21.01.24) (2) fängt das rechte Parteienspektrum schon jenseits der Grünen und der SPD an. Dabei ist eine „demokratische Rechte“ ebenso unverzichtbarer Teil einer funktionierenden liberalen Demokratie, wie eine „demokratische Linke“. Denn Konservative haben in der Demokratie wichtige Funktionen. Beispielsweise indem sie auf Stabilität setzen und Transformationen zwar mit Skepsis und Vorbehalten begegnen, diese jedoch konstruktiv begleiten und steuern. (3)
Drittens: Die Demonstrierenden sind hoffentlich nicht nur Leute, die gegen etwas oder gegen eine Partei demonstrieren, so die Politikwissenschaftlerin und Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing Ursula Münch. Sie demonstrieren hoffentlich auch für etwas, wie beispielsweise das Grundgesetz. (4) Auch sollten die Protestierenden einen Unterschied zwischen „rechts“ und „rechtsextrem“ machen, denn nur Rechtsextreme gefährdeten die Demokratie. Weiter sollte nicht auf eine Weise demonstriert werden, die ausgrenzt und zu Solidarisierungseffekten mit Rechtsextremen führe.
Viertens: Der Nutzen dieser Demonstrationen ist begrenzt. Armin Nassehi, Soziologe an der Universität München, äußert sich dazu in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. (5) Zwar hätte er sie besucht, wäre er in München gewesen: „Weil man damit ein großartiges Zeichen setzt“. Doch mit guten Argumenten komme man gegen die AfD nicht an. „Die Partei dockt woanders an, an der Unzufriedenheit und Überforderung der Menschen. Wenn so viele Menschen das Bedürfnis haben, gegen sie zu demonstrieren, simuliert das eine Handlungsfähigkeit, die eigentlich nicht da ist.“ Wer der AfD schaden wolle „müsste Anlass dazu geben, offenkundige Probleme für lösbar zu halten. Wahrscheinlich geht es nur über erfolgreiche Sachpolitik, also durch Ausweis von Problemlösungskompetenz.“
Margit Reiser-Schober
- Zum Beispiel: Ruud Koopmans: „Die Asyllotterie“, München 2023, S.30
- https://www.br.de/nachrichten/bayern/csu-will-demo-mit-anderen-parteien-gegen-rechtsextremismus,U2C4ATE
- Thomas Biebricher: „MITTE/RECHTS – die internationale Krise des Konservatismus“, Berlin 2023, S.15
- Prof. Dr. Ursula Münch im Deutschlandfunk am 21. Januar 2024
https://www.deutschlandfunk.de/protest-gegen-rechts-mobilisierung-der-mitte-ursula-muench-politologin-dlf-afeae9bb-100.html
- https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/soziologe-nassehi-glaubt-nicht-dass-proteste-gegen-afd-helfen-19476366.html (eventuell hinter Bezahlschranke)
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