Von margit |
Ein Osterei in den Farben der EU liegt im grünen Gras

In den letzten Jahren fühlten sich viele Europäer wie in einer Art globaler „Knautschzone“. Ob Finanzkrise, Migrationskrise, Pandemie oder der russische Überfall auf die Ukraine – stets mussten die EU und ihre Mitgliedsländer auf Herausforderungen von außen reagieren. Und die nationale und europäische Politik hatte auf einen Schlag alle Hände voll zu tun, um nur das Schlimmste zu verhindern. 

Internationale Krisen sind im Zeitalter gegenseitiger Abhängigkeiten keine Besonderheit. Doch wenn eine politische Einheit anderwärts verursachte Probleme immer nur „erleiden“ und kompensieren muss, beschädigt dies das Vertrauen der Bürger in den Staat (oder das Staatenbündnis). Denn es beeinträchtigt das Vertrauen der Menschen in die Wirksamkeit der Politik und damit auch in die Gestaltungskraft der Demokratie. 

Europa ist aktuell dabei, aus diesen Herausforderungen zu lernen. Mit verschiedenen Programmen wollen Parlament, Kommission und Mitgliedsländer im Interesse der europäischen Bürgerinnen und Bürger künftig mehr Handlungsspielraum erlangen. Ein herausragendes Beispiel dafür ist NextGenerationEU (NGEU) (1). Mit diesem Programm sollen mehr als 800 Milliarden Euro investiert werden, um den ökologischen Umbau und die Digitalisierung des Kontinents zu fördern. 

NGEU hat darüber hinaus das Potenzial, das Produktivitätswachstum in der EU in den kommenden Jahren messbar zu steigern (2). So schätzen es jedenfalls Mitarbeiter der EZB, vorausgesetzt, die bisherigen Verpflichtungen werden vollständig umgesetzt. Auch die schrittweise Verwirklichung der Kapitalmarktunion soll massive private Investitionen ermöglichen. (3) Diese werden für die grüne und digitale Transformation ebenso benötigt, wie „zur Steigerung der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der EU in einer sich verändernden geopolitischen Landschaft.“ 

Letztere führte (beispielsweise) im März vor zwei Jahren dazu, dass sich die Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem Treffen in Versailles verpflichteten, „die Verteidigungsfähigkeiten Europas zu stärken“ (4). Dies soll unter anderem geschehen, indem erstens die Zusammenarbeit durch gemeinsame Projekte intensiviert wird. Zweitens sollen Defizite geschlossen und Fähigkeiten-Ziele erreicht werden. Drittens sollen Innovationen auch durch Synergien aus der zivilen und der militärischen Forschung gefördert werden. Schließlich soll, viertens, die Verteidigungsindustrie, einschließlich kleiner und mittlerer Unternehmen, gestärkt und weiterentwickelt werden.

Diese Wirtschafts- und Sicherheitspolitik wird zu mehr Unabhängigkeit der Europäer führen. Und das tut auch der Demokratie gut. Denn zwischen Souveränität und Demokratie besteht ein enger Zusammenhang: Wo es keinen Spielraum für Entscheidungen über die eigene Zukunft gibt, haben auch die Bürgerinnen und Bürger keine Wahl! Es gilt deshalb nochmals an eine Sternstunde Europas zu erinnern, an die Rede des Staatspräsidenten Emmanuel Macron an der Sorbonne am 26. September 2017 (5) Mit seiner „Initiative für Europa“ warb er für die „Neubegründung eines souveränen, geeinten und demokratischen Europa“ (S.3) und betonte: „Souveränität, Einheit und Demokratie sind für Europa untrennbar.“ (S.16) - Recht hat er.

Margit Reiser-Schober

 

  1. NextGenerationEU
    https://next-generation-eu.europa.eu/index_de 
    The Recovery and Resilience Facility
    https://commission.europa.eu/business-economy-euro/economic-recovery/recovery-and-resilience-facility_en 

     
  2. From laggard to leader? Closing the euro area’s technology gap
    Inaugural lecture of the EMU Lab by Isabel Schnabel, Member of the Executive Board of the ECB, at the European University Institute, Florence, 16 February 2024
    https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2024/html/ecb.sp240216~df6f8d9c31.en.html
    Slide 16, left-hand side

     
  3. Statement by the ECB Governing Council on advancing the Capital Markets Union, 
    7 March 2024
    Strong reasons to support and enhance the Capital Markets Union
    https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2024/html/ecb.pr240307~76c2ab2747.en.html

     
  4. https://www.consilium.europa.eu/de/policies/european-defence-industry/ 
    https://www.consilium.europa.eu/de/policies/european-defence-industry/timeline-european-defence-industry-procurement/ 

     
  5. Rede von Staatspräsident Macron an der Sorbonne „Initiative für Europa“, Paris, den 26. September 2017
    https://www.diplomatie.gouv.fr/IMG/pdf/macron_sorbonne_europe_integral_cle4e8d46.pdf

     

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