Von margit |
Waldweg auf dem Hoherodskopf (765 Meter) im Naturpark Vulkanregion Vogelsberg, Hessen

Willkommen Bulgarien im Euroraum!

 

Mit Bulgarien tritt aller Voraussicht nach ein weiteres der 27 EU-Mitgliedsländer der gemeinsamen Währung bei. Die EZB bescheinigte dem Land am 4. Juni dieses Jahres, sich so weit an die Referenzwerte der Konvergenzkriterien angenähert zu haben, dass es ab 1. Januar 2026 dem Euroraum beitreten könne. (3) Wie das Standard Eurobarometer vom Frühjahr 2025 zeigt, machen sich 47 Prozent der befragten Bulgarinnen und Bulgaren jedoch Sorgen über steigende Preise und Lebenshaltungskosten. In der EU 27 sind davon 31 Prozent betroffen. Befürchtungen hinsichtlich ihrer ökonomischen Situation äußern für Bulgarien 25 Prozent der Befragten, während es in der gesamten EU 20 Prozent sind. (4)

Diese Sorgen zahlen gegenwärtig auf eine Kampagne gegen die Übernahme des Euro in Bulgarien ein. (5) (6) Sie wird nicht nur von einer offen pro-russischen Partei betrieben, sondern, so ist zu vermuten, auch aus Russland selbst. Die bulgarische Regierung will sich nun gegen „die Flut an Lügenmärchen“ über den Euro wenden und strikt gegen Wucher und unfaire Handelspraktiken vorgehen. (7) Vom Euro profitieren werden die Tourismus-Branche ebenso wie Im- und Export. Und der bulgarische Staat könnte seine geringe Verschuldung in Höhe von nur 24,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (EU 27: 81 Prozent) künftig billiger finanzieren. (8) Die wirtschaftlichen Vorteile des Euro-Beitritts – zu „normalen“ Zeiten - sind nicht geringzuschätzen. 

Doch die Zeiten sind nicht normal. Die Welt wurde in den letzten Jahren von vier Schocks verändert. Piero Cipollone, Mitglied des Direktoriums der EZB, zählte am 29. April in einer Rede die folgenden auf: Erstens, seit 2018 der Machtkampf zwischen den Vereinigten Staaten und China, ausgefochten mit gegenseitig verschärften Zöllen. Zweitens die Corona-Pandemie, die seit 2020 zu beispiellosen Störungen der Lieferketten geführt habe, was eine Neubewertung des Gleichgewichts zwischen globaler Integration und Widerstandsfähigkeit notwendig machte. Drittens der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der eine Energiekrise auslöste und die geopolitische Spaltung vertiefte. Und schließlich viertens die von Trump angekündigten Zollerhöhungen, „die Schockwellen durch die Weltwirtschaft sandten und uns deutlich vor Augen führten, dass die Brüche, mit denen wir konfrontiert sind, nicht länger hypothetisch, sondern real sind.“ (9)

Die Welt, in der wir leben, mitgestalten

Ein einzelnes europäisches Land hat dem wenig entgegenzusetzen. Es kann die Schocks mehr oder weniger kompensieren. Es kann aber die Welt, in der wir wirtschaften, nicht mitgestalten. Mit der gemeinsamen Währung (und dem europäischen Binnenmarkt) erhält ein einzelnes Land mehr wirtschaftliche Stabilität. Spekulationen gegen eine nationale Währung sind nicht mehr möglich. Ebenso ist die Währung kurzfristigen Interessen der nationalen Politik entzogen. Die rechtliche Grundlage einer nationalen Zentralbank kann durch das Gesetz eines einzigen Parlamentes verändert werden. Für die EZB gilt dies nicht. Als Folge zum Eurobeitritt wird die nationale Finanz- und Wirtschaftspolitik anspruchsvoller, da die Möglichkeit einer oberflächliche Erleichterung durch Abwertung der nationalen Währung entfällt. Dieser Pfad fordert mehr Einsatz von der Politik, ist aber auf längere Sicht der erfolgreichere für die Volkswirtschaft und die Menschen. So verwundert es nicht weiter, dass die Europäer nach der Eurobarometer-Umfrage im Frühjahr 2025 die gemeinsame Währung nachdrücklich unterstützen: In der EU 27 erhält der Euro mit 74 Prozent und im Euroraum mit 83 Prozent die bisher höchste Zustimmung. (10)

Die gemeinsame Währung ermöglicht aber mehr als Stabilität. Darauf macht die Präsidentin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde in einem Beitrag für den EZB-Blog aufmerksam. (2) Die derzeitigen Herausforderungen würden Europa auch Chancen bieten, „sein Schicksal stärker selbst in die Hand zu nehmen und dem Euro zu mehr globaler Bedeutung zu verhelfen.“ Dies würde niedrigere Kreditkosten, geringere Anfälligkeit gegenüber Währungsschwankungen und Schutz vor Sanktionen und Zwangsmaßnahmen mit sich bringen. Doch auch hier (wie in der nationalen Politik) ergibt sich nichts von selbst. Um diese Vorteile zu verdienen, müsse Europa „drei grundlegende Säulen stärken: geopolitische Glaubwürdigkeit, wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit sowie rechtliche und institutionelle Integrität.“
Margit Reiser-Schober

Fehler im Inhalt? – eurolandpost(at)gmx.eu

 

  1. https://www.consilium.europa.eu/en/meetings/ecofin/2025/07/08/

     
  2. https://www.ecb.europa.eu/press/blog/date/2025/html/ecb.blog20250617~7de14a39c3.en.html
    This post was also published as an opinion piece in the Financial Times.

     
  3. https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2025/html/ecb.pr250604~26651b6294.en.html

     
  4. https://europa.eu/eurobarometer/surveys/detail/3372
    Reports and documents – Country Factsheets Bulgaria

     
  5. https://www.deutschlandfunk.de/tausende-folgen-aufruf-rechtsnationaler-kraefte-zu-protesten-gegen-eine-euro-einfuehrung-in-bulgarie-104.html - 04.06.2025

     
  6. https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1479026.html - 21.06.2025

     
  7. https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/warum-viele-bulgaren-den-euro-nicht-wollen-110526392.html
    Artikel von Michael Martens in der FAZ vom 10. Juni 2025

     
  8. https://ec.europa.eu/eurostat/cache/countryfacts/

     
  9. https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2025/html/ecb.sp250429~5c32473955.en.html
    "Navigating a fractured horizon: risks and policy options in a fragmenting world"
    Speech by Piero Cipollone, Member of the Executive Board of the ECB, at the conference on “Policy challenges in a fragmenting world: Global trade, exchange rates, and capital flow” organised by the Bank for International Settlements, the Bank of England, the ECB and the International Monetary Fund

     
  10. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_25_1318